Warschau und sein Metro: Anderthalb Linien und ganz stolz darauf
Bis vor drei Jahren hatte Warschau lediglich eine Metro-Linie: die stolze M1 mit ihren 21 Stationen. Ursprünglich sollten es 23 werden, zwei U-Bahnhöfe im Zentrum wurden aber eingespart. Zu teuer. Heute sprechen die Betreiber bereits von einem U-Bahn-System. Dieses einzigartige Metro-Netz umfasst... anderthalb Linien: Auf der geplanten Fahrtstrecke der Linie M2 sind gerade sieben Stationen auf einer Länge von sechs Kilometern im Gebrauch. Nicht üppig, aber immerhin.
Warschaus Metro kann kreuzweise
Warschau ist die einzige Stadt in Polen, die über eine Untergrundbahn verfügt. Die M1 verbindet den Süden und den Norden auf der linken Uferseite der Weichsel mit der City. Die M2 schneidet die Strecke der „alten“ Linie beinahe in der Mitte durch und schafft eine Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen der Hauptstadt, also den rechtsufrigen Stadtvierteln mit den linksufrigen. Jedenfalls endgültig dann, wenn die neue Linie fertig gestellt wird. Am 7. April feiert das Warschauer Metro seinen 23. Geburtstag: Die ersten Züge der Linie M1 rollten 1995, die volle Strecke wurde 2008 in Betrieb genommen.
Eile mit Weile
Der Bau des ersten Abschnitts der Linie M1 dauerte 12 Jahre, die ganze Strecke mit 21 Stationen und 26 Kilometern Länge nahm aber insgesamt über ein Vierteljahrhundert in Anspruch. In Shanghai sind innerhalb von 20 Jahren glatte 263 Stationen auf einer Länge von über 500 Kilometer entstanden. Das ist aktuell das längste U-Bahn-Netz der Welt. Aber schließlich haben die Chinesen deutlich mehr Arbeitskräfte zur Verfügung als die Polen. Und die Arbeitsmoral ist dort sicher nicht von Laissez-faire geprägt. Kein „Komme ich heute nicht, komme ich morgen“. Statt dessen herrschen Disziplin und Zucht. So lässt sich auch unterirdische Züge zügig fahren. Etwas kürzer als in Shanghai - mit 465 Kilometern und 232 Stationen - ist das Pekinger Netz. Den dritten Platz nimmt das Londoner „tube“ mit 270 Stationen auf 402 Kilometern ein.
Warschauer Metro mit Vergangenheit
Die U-Bahn der polnischen Hauptstadt blickt auf eine lange Geschichte. Jedenfalls auf dem Papier. Die Pläne über den Bau eines U-Bahn-Netzes reichen bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhundert zurück. Die ersten Arbeiten begannen sogar schon 1938, doch der zweite Weltkrieg hat alles in Schutt und Asche gelegt. Den nächsten Anlauf nahmen die Stadtplaner im Jahre 1950. Möglicherweise waren das die Vorfahren der heutigen Projektmanager beim Berliner Flughafen. Die Vorgehensweise, der Realitätssinn und die Termintreue ähneln sich jedenfalls erschreckend. Damalige Bauingenieure planten 13 Jahre für sieben Metrolinien mit der Gesamtlänge von 46 Kilometern. Sie scheiterten kläglich. Nach mehreren Unterbrechungen und Planänderungen – das Budget ist nicht bekannt, die Sowjetunion sollte Polen aber unter die Arme greifen - erfolgte der erste offizielle Spatenstich erst am 15. April 1983.
Die Warschauer U-Bahn im Vergleich
Das Warschauer Metro ist nicht so pompös wie das Moskauer (aber auch nicht überfüllt) und auch nicht so eklektisch wie das als „die längste Kunstgalerie der Welt“ bekannte Stockholmer Metro mit seinen 90 Bahnhöfen, in denen sich verschiedene Künstler verausgabt haben. Die Bahnhöfe an der Weichsel sind erheblich jünger als die an der Themse, die bereits 1863 in Betrieb gingen. Die Warschauer Metro-Eingänge können auch nicht mit den kunstvoll verflochtenen Eisentoren der Pariser Stationen aufnehmen. Aber: Das Warschauer Metro hat die längsten Rolltreppen (40,4 m) in ganz Polen (Station Centrum Nauki Kopernik / Wissenschaftszentrum Kopernik). Zugegeben, dieser Rekord ist an den Haaren herbeigezogen. Nächster Versuch: Der Bahnhof Plac Wilsona (Wilson Platz) ist zur schönsten neuen Metro-Station gewählt worden. Zwar bereits im Jahre 2008, aber dafür von einer international bedeutenden Jury der MetroRail.
Wusstest du...
- Die durchschnittliche Fahrtdauer der Linie M1 beträgt 38 Minuten und 20 Sekunden
- Täglich werden ca. 500.000 Passagiere befördert
- Ca. 1500 Personen arbeiten für das Warschauer Metro
- Am Wochenende fahren die Züge zwischen 5 und 3 Uhr morgens
- Die Tickets kosten 3,40 PLN (für 20 Minuten Fahrt ab Entwertung), 4,40 PLN (für 75 Minuten) und 7 PLN (für 90 Minuten)
- Auf eine Metrostation fallen statistisch über 60.000 Einwohner. Der EU-Durchschnitt beträgt etwa 25.000.
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