Übers Auswandern nach England denken immer noch viele Menschen nach, selbst wenn das Vereinigte Königreich wegen Brexit in negative Schlagzeilen geraten ist. In Deutschland gehört Großbritannien in die Top Ten der Auswanderungsländer: Zurzeit leben dort etwa 144.000 Bundesbürger – somit vertreten die Deutschen Platz 9 der Einwanderer auf den britischen Inseln. Doch wie sind sie dort versichert? Und wie bekommst du deine Krankenversicherung, wenn du nach Großbritannien auswanderst?
England hat keine klassische Krankenversicherung
Eine herkömmliche Krankenversicherung gibt es in Großbritannien nicht. Auf den ersten Blick sieht das britische Gesundheitssystem nach beinahe utopischer Gleichheit und Brüderlichkeit aus: Der National Health Service (NHS) – zu Deutsch der Nationale Gesundheitsdienst – gewährt jedem Bürger, der in England, Wales, Schottland oder Nordirland lebt, einen freien Zugang zur medizinischen Versorgung beim Arzt und in den Krankenhäusern. Der NHS existiert bereits seit 1948 und wird aus Steuergeldern finanziert, anders als in vielen anderen Ländern, die ihre Gesundheitssysteme über die Sozialversicherung unterhalten.
Wer hat Anspruch auf NHS-Leistungen?
Die Hürden für die kostenlose Krankenversicherung sind sehr niedrig. Gebührenfreie oder bezuschusste Leistungen des NHS dürfen folgende Personen in Anspruch nehmen:
- alle EU-Bürger
- alle Personen, die mindestens ein Jahr legal in Großbritannien gelebt haben
- Studenten mit einer Mindeststudienzeit von sechs Monaten
- Inhaber einer britischen Arbeitserlaubnis
So bekommst du in England die Krankenversicherungskarte
Die kompletten Leistungen des NHS kannst du in Großbritannien nur dann in Anspruch nehmen, wenn du eine National Insurance Number besitzt. Diese beantragst du beim zuständigen Social Security Office, indem du deinen gültigen Pass, einen Arbeitsvertrag oder einen Adressnachweis vorlegst. Im Anschluss an die Formalität erhältst du eine NHS card, die du – ähnlich wie deine Krankenversichertenkarte in Deutschland – bei jedem Arztbesuch und Krankenhausaufenthalt vorzeigen musst. Die Versichertenkarte ist - neben einem Bankkonto - eine der grundlegenden Aufgaben, die du am Anfang bewältigen musst.
Der nationale Gesundheitsdienst NHS in der Kritik
Was wie ein wahr gewordener Traum eines jeden Bürgerrechtlers klingt, bringt es in der Praxis viele Nachteile. Schon die Suche nach einem Hausarzt, bei dem du dich vorab registrieren musst, gestaltet sich schwierig, weil viele Ärzte wegen der Arbeitsbelastung keine NSH-Patienten mehr annehmen. Dabei kannst du dir den Hausarzt auch nicht frei aussuchen: Die Arztwahl hängt von deiner Postleitzahl ab. Einen Facharzt direkt aufzusuchen, kannst du auch nicht: Falls erforderlich überweist dich erst der Hausarzt an einen Spezialisten weiter. Bist du mal krank, wirst du dich in der Regel mit langen Wartezeiten konfrontiert sehen. Auch ist der Leistungskatalog nicht klar definiert und keineswegs mit einer gesetzlichen Krankenkasse in Deutschland vergleichbar. Für viele Leistungen muss der Patient zum Teil sehr hohe Zuzahlungen leisten, etwa bei Augentests und Sehhilfen, beim Zahnersatz und teilweise bei Medikamenten. Die Krankenhäuser sind im internationalen Vergleich recht rar gesät. Pro 1000 Einwohner in Großbritannien stehen drei Akutbetten zur Verfügung. In Deutschland sind es fast dreimal so viel. Der staatliche Gesundheitsdienst steckt zur Zeit in einer schweren Krise. Kaputt gespart, behaupten Kritiker.
Private Krankenversicherung oder Zusatzschutz bringen Vorteile
Manche Arbeitgeber in Großbritannien zahlen ihren Mitarbeitern einen Zuschuss oder bieten ein sogenanntes Employee Bonus Program, also vergünstigte Partnerversicherungen. Wenn dein Arbeitsvertrag solche Konditionen nicht vorsieht, du aber bestimmte Leistungen in Anspruch nehmen möchtest, die der NHS nicht deckt, sollst du dich privat (zusatz)versichern. Mittlerweile besitzen etwa 20% aller Briten eine private Krankenversicherung – und als solche werden sie auch bevorzugt behandelt. Damit können sie Arzt und Krankenhaus frei wählen, bekommen Kosten für Fachärzte zurückerstattet sowie diagnostische Tests und Alternativbehandlungen finanziert. In der Regel müssen sie auch keine Wartezeiten befürchten. Im kleinen Rahmen sind vor allem Zusatzversicherungen für Krankenhausaufenthalte oder Zahnbehandlungen sinnvoll. In Deutschland gekaufte Schutzbriefe für kürzere Aufenthalte bis zu drei Monaten bieten eine sinnvolle Alternative.
Krank zu werden ist nie angenehm. Mit unserer Stippvisite bei dem Gesundheitssystem des Vereinigten Königreichs haben wir dich aber hoffentlich auf den Ernstfall vorbereitet. Wir wünschen eiserne Gesundheit und viel Spaß in Großbritannien. Egal, wo du bist, vergiss deine NHS card nicht!